Nichtraucherschutzgesetz: BuS verschärft Gangart
Stadtleben // Artikel vom 03.03.2008
Dem in Baden-Württemberg bereits zum 1. August vergangenen Jahres in Kraft getretenen Nichtraucherschutzgesetz zum Trotz wird mancherorts in der Karlsruher Gastronomie immer noch – oder wieder – fleißig gequalmt.
Man mag vom Rauchverbot halten was man will, doch Sonderregelungen, Ausnahmegenehmigungen oder die bewusste Nichtbeachtung des Gesetzes führen zu massiven Wettbewerbsverzerrungen: Raucher sind flexibel in der Wahl der Kneipe ihres Vertrauens, und wenn die einstige Stammkneipe oder der einstige Lieblingsclub sich nun mal gesetzeskonform verhält, dann zieht die Raucherkarawane eben weiter.
Zum Jahresbeginn stellt sich die Karlsruher Gastro-Szene als bunter Flickenteppich dar. Bislang setzte die Ordnungsbehörde Bürgerservice und Sicherheit (BuS) im Dialog mit den Gastronomen vor allem auf Freiwilligkeit, ähnlich wie bei der nach wie vor bestehenden Problematik alkoholischer Billig-Angebote. Wie Björn Weiße, seit Herbst 2007 Chef von BuS, im Gespräch mit INKA-Mitarbeiter Denis Elbl ankündigte, soll nun aber die Gangart verschärft werden.
INKA: Wie hat sich Ihrer Erfahrung nach die Szene in Bezug auf ""Billig-Saufangebote" entwickelt?
Weiße: Wir recherchieren permanent im Internet, was es noch an Angeboten gibt, und beobachten die Anmeldung entsprechender Veranstaltungen. Nach unserem Dafürhalten hat sich das Problem entschärft, wir haben lange nicht mehr die Vielfalt an Angeboten wie noch vor einem oder einem halben Jahr. Aus heutiger Sicht sehen wir keinen akuten Handlungsbedarf, dagegen vorzugehen. Gleichwohl sind wir der Auffassung, dass diese Angebote unterbunden werden sollten. Wir sind nach wie vor im Gespräch mit den Anbietern.
INKA: Die Stadt Nürnberg hat nach einem entsprechenden Gerichtsurteil eine Diskothek geschlossen, nachdem dort als Folge solcher Angebote die Zahl der Körperverletzungen stieg. Die durch Komasaufen selbst zugefügte Körperverletzung Jugendlicher alleine recht demnach nicht aus?
Weiße: Es ist nicht so, dass wir diejenigen Betriebe schließen wollten, in denen nur solche Angebote gemacht werden, das alleine ist auch nach diesem Urteil nicht ausreichend. Es muss mehr hinzukommen. Andernfalls haben wir kein Instrument an der Hand, diese Betriebe zu schließen. Es ist immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit und der Abwägung der unterschiedlichen Interessen.
INKA: Aber genau eine solche Zunahme der Gewalt registriert die Karlsruher Polizei in manchen Bereichen der Innenstadt.
Weiße: Wir beobachten generell ein Sinken der Hemmschwelle zur Gewalt. Diese Entwicklung ist erschreckend, aber nicht primär auf solche Angebote zurückzuführen. Wir als Ordnungsbehörde sind aufgerufen, in jedem Fall zu prüfen, ob zwischen den auftretenden Delikten und dem Gastronomie-Angebot eine Kausalität besteht. Wenn das der Fall ist, ist das für uns ein Aufruf, sich der Sache anzunehmen.
INKA: Thema Nichtraucherschutzgesetz. Welche Bilanz ziehen Sie nach rund einem halben Jahr nach dem Inkrafttreten für die Karlsruher Gastronomie?
Weiße: Vor der Klärung einer Vielzahl offener rechtlicher Fragen bei Einführung des Gesetzes in Baden-Württemberg haben wir faktisch eine in anderen Bundesländern von Anfang an vorgesehene Kulanzphase eingeführt. Die ersten Monate haben wir jeden uns gemeldeten Verstoß verfolgt, indem wir die Gastronomen auf die neue Rechtslage hingewiesen haben. Auch in den Fällen, in denen es zu einem zweiten Verstoß kam, sind wir, abgesehen von einzelnen Verwarnungsverfahren, abermals mit einem in der Tonlage deutlicheren Schreiben an die Wirte herangetreten.
INKA: Welchen "erzieherischen" Effekt zeigten diese Maßnahmen?
Weiße: Mittlerweile liegen uns über 200 Beschwerden von Gästen über Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz vor. Zahlreiche Klagen von Arbeitnehmern aus Betrieben, in denen weiter das Rauchen zugelassen ist, erreichen uns. Selbst Gastronomen, die sich ordnungsgemäß verhalten, weisen auf Wettbewerbsnachteile hin und fordern eine einheitliche Handhabung. Wir haben daher Ende Januar mit Vertretern der örtlichen Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband, d. Red.) ein erneutes Gespräch geführt.
INKA: Tenor des Gesprächs?
Weiße: Die Dehoga verweist auf die existentiell bedrohliche Entwicklung für kleine Einraumkneipen, die weder den Raum noch die Mittel für entsprechende Maßnahmen, etwa die Errichtung entsprechender Trennsysteme, zur Erfüllung der Anforderung des Gesetzes hätten. In einigen Fällen seien die Wirte kaum in der Lage, laufende Rechnungen zu bezahlen, geschweige denn dazu, die erforderlichen Investitionen zu stemmen. Sie seien auf jeden Gast angewiesen, was insbesondere dann schwierig sei, wenn die ganz überwiegende Kundschaft aus Rauchern bestünde. Massive Einbußen hätte es auch bei den Spielautomaten gegeben. Die Dehoga fordert deswegen, die Karenzzeit wenigstens über den Winter zu verlängern.
INKA: Ein aus Sicht Ihrer Behörde gangbarer Weg?
Weiße: Dies wurde von uns abgelehnt, auch wenn uns die teilweise schwierige Situation für einzelne Betriebe bekannt ist. Als Vollzugsbehörde sind wir nicht befugt, von dem Gesetz Ausnahmen zuzulassen, weil die entsprechenden Rechtsgrundlagen fehlen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit unmissverständlich und zum Schutz der Bevölkerung vor Passivrauchen auch bewusst so gewählt.
INKA: Wie reagieren Sie darauf?
Weiße: Die zunehmende Unvernunft einzelner Gastronomen zwingt uns zu folgendem Schritt: Statt die Karenzzeit für die erforderlichen Umbaumaßnahmen zu nutzen, meinen einige Betriebe, hierin einen dauerhaften Verzicht auf Kontrollen zu erkennen. Zunehmend stellen wir fest, dass Betriebe rückfällig werden und erneut das Rauchen zulassen – teilweise mit exotischen Ideen, etwa dem gestatteten Rauchen ab 19 Uhr oder der Erklärung des Außenbereichs zur Nichtraucherzone. Auch Stuttgart, Heidelberg und Mannheim sehen sich mit dieser Entwicklung konfrontiert. Deswegen werden wir in den kommenden Wochen mit den Kontrollen der Betriebe auch in Karlsruhe beginnen.
INKA: Die Dehoga verweist auf ein massives Kneipensterben. Können Sie das bestätigen?
Weiße: Im Raum stehen 50 Kneipen, die angeblich bereits aufgrund des Gesetzes schließen mussten. Im Oktober, November und Dezember haben aber nur insgesamt 13 Kneipen ohne Nachpächter geschlossen. Ende 2007 bestanden somit noch immer 70 Kneipen mehr in Karlsruhe als im Jahr 2006. Bei den Schließungen handelt es sich um die übliche Fluktuation. Auffälligkeiten konnten wir bisher nicht feststellen.
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