"Pop! goes the weasel" im Badischen Kunstverein

Stadtleben // Artikel vom 11.02.2008

Die Grenzen von Pop und Underground, von Hoch- und Subkultur sind durchlässig wie nie. Und werden es auch bleiben.

Einer großen Zahl an Künstlern, die völlig selbstverständlich verschiedene Medien erfolgreich neben- und miteinander benutzen, stehen unzählige Beispiele gegenüber, wo etwa Musik vom Proberaum oder Laptop via Myspace oder YouTube direkt in den Pop-Olymp katapultiert wird. Egal ob Tanz, Malerei, Musik, Theater oder Film, die Assimilierung von Subkulturen durch den Kulturbetrieb läuft so schnell wie nie.

Der eventbefeuerte Kultur- und Pop-Betrieb braucht ständig schneller neue Reize. Was heute noch Underground ist, kann morgen schon Mainstream sein. Glaubwürdigkeit und Authentizität sind rare Werte, wertvoller denn je. Also wird via Web hochgejazzt – oder per Mundpropaganda. Längst nutzen auch klassische Unternehmen Strategien des Pop-Undergrounds. Bionade machte es exemplarisch vor: Ihr (schöner und begrüßenswerter) Siegeszug begann in den Szenekneipen von St. Pauli.

Der inflationären Anhäufung von Kunst-Club-Pop-Theorie-Events im Kunstbetrieb der letzten Jahre möchte die erste Ausstellung des Badischen Kunstvereins 2008 etwas originär anderes gegenübersetzen. So winkt Kunstvereins-Leiterin Anja Casser auch ab und erklärt, dass Pop! goes the weasel "keine erneute Ausstellung zum Thema Pop-Crossover" ist. Denn es werden künstlerische Positionen gezeigt, die sich mit der Bildpolitik, mit Stilen, Ikonen und Symbolen von Pop beschäftigen, mit der Frage: Wie geht es weiter?

Viele der Künstler performen dabei vor Ort, und viele Performer zeigen parallel Kunst: Malerei, Grafik, Skulptur und Installation, Video- und Audio-Arbeiten sowie Live- und DJ-Performances. Für den Lichthof des Kunstvereins haben Julia Brandes und Bastian Goecke (HfG) eine Installation, eine Art atmosphärischen Lichtkörper entwickelt, der auch die Bühne (einzelne Module) sowie die Lounge und Bar mit einbezieht. Beispielhaft für "Pop! goes the weasel" ist die Eröffnungsperformance von Tobias Bernstrup: Der in Berlin und New York lebende Schwede greift in seinen Videos und Musikperformances in einem Stilmix aus Klassizismus, Transsexualität oder expressionistischem Film die Ästhetik von Computerspielen auf. "Neon Love", wie seine 2007 erschienene Dancefloor-Single, nennt sich auch seine Show zur Vernissage (Do, 14.2. ab 19 Uhr).

Der Sa, 16.2. sieht eine Konzert-Performance mit Catriona Shaw, gefolgt von einem DJ-Auftritt von Angie Reed und Mark Stewart aus Bristol, dem legendären Macher der "Pop-Group" und "Rip, Rig & Panic"-Mitgründer (damals mit Neneh Cherry). Stewart in den Kunstverein zu holen, ist ein inhaltlich großer Schachzug. Denn er ist eine Underground-Ikone - und verknüpfte schon Ende der 70er Jahre mit seiner "Pop Group" radikale politische Statements mit einem ebenso radikalen musikalischen Background aus Dub, Funk, Punk und Noise. Unvergessen, wie er Ende der 70er mit verzerrter Stimme Slogans wie "We Are All Prostitutes" ins Mikro brüllte. Er hat seine neue CD "Edit" im Gepäck, erneut produziert von Dub-Legende Adrian Sherwood.

Am Sa, 8.3. performt der Hamburger Jacques Palminger (Pudel-Club-Umfeld) mit Rica Blunck und Viktor Marek, und am Do, 13.3. ab 21 Uhr wird der Film "Hölle Hamburg" von Peter Ott/Ted Gaier gezeigt. Gaier, "eigentlich" Musiker der Goldenen Zitronen, spielt danach ein DJ-Set. Später im März und April folgen u.a. Auftritte vom Kammerflimmer Kollektief (22.3.), Discoteca Flaming Star (27.3.) und zum krönenden Abschluss am 6.4. von F.S.K. (Freiwillige Selbstkontrolle) mit Michaela Melián und Thomas Meinecke. Bestandteil der Ausstellung ist auch das Video- und Zeitschriftenarchiv "Her Noise" mit Künstlerinnen wie Maryanne Amacher, Jutta Koether, Kim Gordon oder Lydia Lunch. Ab Fr, 29.2., 19 Uhr werden zudem "Positionen aus der HfG" gezeigt. -rw

Beteiligte KünstlerInnen: Saâdane Afif, Tobias Bernstrup, Johanna Billing, Tony Cokes, Discoteca Flaming Star, Keith Farquhar, Luke Fowler/Shadazz, Tom Früchtl, Jonathan Johnson, Scott King, Karen Kilimnik, David Lamelas, Michel Majerus, Lucy McKenzie, Michaela Melián, Mrzyk & Moriceau, Michael Sailstorfer, Catriona Shaw, Steven Shearer, Eva Wittig, Johannes Wohnseifer

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