Reallabor in der Kaiserpassage wird Realität
Stadtleben // Artikel vom 01.04.2023
Aus der Schmuddelecke soll eine „innerstädtische Oase“ werden.
Vor über 135 Jahren kam mit der Kaiserpassage der Trend überdachter Einkaufsstraßen von Paris nach Karlsruhe. Was damals Anziehungskraft ausstrahlte, wirkt heute aus der Zeit gefallen. Um das zentral gelegene Areal wieder attraktiver zu machen, wurde 2022 ein zweimonatiges Reallabor erprobt, das Sitzmöbel, Pflanzen und eine Bühne nutzte und Autos aus dem Hof der Kaiserpassage weitgehend ausschloss. „Mit dem Reallabor ist es gelungen, wieder Energie in den Passagehof zu bringen“, sagt Oriana Kraemer, die beim Stadtplanungsamt das Projekt leitet. Schon früh wurden Nachbarschaft und Gewerbetreibende einbezogen und Ideen auch während des Projekts aufgriffen. „Ich war so etwas wie eine Platzwärtin und dauerhaft vor Ort. Es gab sehr viel informellen Austausch“, so Kraemer. Die Veranstaltungsfläche, nichtkommerzielle Sitzmöglichkeiten und mehr Begrünung kamen gut an, wie auch eine anschließende Evaluation auf Basis einer Befragung der Anlieger ergab.
Ende Februar beschloss der Gemeinderat daher, das Projekt zu verstetigen und aus dem Labor eine dauerhafte Perspektive für den Passagenhof zu machen. Mit wenigen Ausnahmen für den Lieferverkehr und private Parkplätze soll der Hof dauerhaft autofrei sein und auch Fahrräder nur an den Eingängen des Hofes parken können. Der Hof und die einstigen Parkplätze sollen für Sitzmobiliar, Kübelpflanzen und als Veranstaltungsfläche nicht nur für die in direkter Nähe liegende Kinemathek und den Jazzclub genutzt werden. Ihre angestammten Plätze behält die Gastronomie. Kraemer hofft, dass sich mit der wachsenden Aufenthaltsqualität im Hof auch die umliegenden Ladenzeilen in Privateigentum weiterentwickeln. „Das ist ein guter Start, um da etwas zu bewegen.“ Bauliche Veränderungen wie eine mögliche Entsiegelung der Hoffläche sind aber frühestens ab 2026 geplant; bei einem früheren Baubeginn wären schon ausgezahlte Fördermittel des Bundes in Gefahr und noch kein Geld im städtischen Haushalt eingeplant.
Doch schon mit den beschlossenen Maßnahmen könne der Passagehof Strahlkraft für die ganze Innenstadt entwickeln, hofft Kraemer. „Er hat ein Wahnsinnspotenzial, ein attraktiver Stadtplatz zu werden und könnte zu einem spannenden kulturellen Zentrum für die Innenstadt werden.“ Die Arbeit am Reallabor ist für Kraemer aber noch mehr: „Es ist für mich ein Signal, was möglich ist, wenn alle zusammenarbeiten.“ Auch innerhalb der Stadtverwaltung sei in der Intensität und Dynamik zuvor selten gearbeitet worden. „Es gab keine Blaupausen für die Entwicklung. Reallabor heißt auch: ausprobieren, experimentieren und natürlich auch Fehler machen“, sagt Kraemer, die sich eine neue Fehlerkultur wünscht, die zu besseren Entwicklungen beitragen könne. „Wir müssen die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt dringend stärken“, sieht sie noch große Aufgaben. Aufgrund der dafür notwendigen, hohen personellen und zeitlichen Ressourcen seien Reallabore nicht die „Lösung für alle Probleme“, doch mit der realen Umsetzung im öffentlichen Raum sehr viel greifbarer für die Öffentlichkeit als bloße Konzepte.
Deutlich umstrittener war das zweite Reallabor im vergangenen Jahr in der nördlichen Karlstraße: „Nach den ersten Rückmeldungen war das Labor dort weitaus polarisierender. Der Raum dort ist komplexer und es gibt viel mehr unterschiedliche Nutzungsansprüche“, sagt Kraemer. Durch die schon jetzt hohen Fußgängerströme sei das Potenzial für mehr Aufenthaltsqualität am Dreieck Europaplatz, Stephanplatz und Ludwigsplatz noch größer. Die Evaluation durch die Hochschule Karlsruhe laufe noch. Gemeinsam würden sie dann eine Empfehlung abgeben, wie es dort weitergehen könne und der Gemeinderat noch in diesem Halbjahr entscheiden. „Es gilt unterschiedliche und manchmal auch konträre Bedürfnisse abzuwägen. Letztlich ist es dann eine politische Entscheidung.“ -fk
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