Rosige Zukunftsaussichten für Start-ups

Stadtleben // Artikel vom 16.11.2015

Mit ihren markanten Flachdachschiffen hat sie sich rein äußerlich schon immer von den repräsentativen Schlachthof-Bauten des ausgehenden 19. Jahrhunderts unterschieden.

Und auch heute nimmt die ehemalige Schweinemarkthalle eine Sonderstellung auf dem wiederbelebten Areal ein: Bis Anfang der 70er musste hier das Vieh seinen vorletzten Gang antreten; heute tun junge Unternehmen in Seefrachtcontainerbüros ihre ersten Schritte in die Selbständigkeit.

Wobei jung im K3-Existenzgründerzentrum Perfekt Futur keinesfalls mit unerfahren gleichgesetzt werden darf: „Unsere Firma ist ein Start-up, wir sind es nicht!“, betont Oliver Semik von Magnetic Stories (www.magneticstories.com). Lange bevor er mit dem zweiten Chief Creative Officer Lutz Suendermann die „Brand Storytelling Company“ gegründet hat, arbeiten beide in einer klassischen Werbeagentur zusammen. Das war vor gut zehn Jahren, als die Ära der opulenten Kampagnen und Spots langsam ihren Zenit erreicht. Damals konzipieren sie ein inzwischen von unzähligen internationalen Kreativ-Awards ausgezeichnetes Corporate-Publishing-Magazin, das in der Automobilindustrie lange Jahre seinesgleichen sucht.

Weil sich Suendermann und Semik in atypischer Herangehensweise journalistischer Mittel bedienen: Sie recherchieren, schürfen in persönlichen Gesprächen nach der Hidden Agenda, gehen der einzigartigen Markengeschichte und -identität auf den Grund, um bestens informiert eine emotional aufgeladene und mit ästhetischen Fotografien bebilderte Geschichte erzählen zu können. Das Ergebnis: ein Kundenmagazin, das nicht wie eines aussieht. Diesen seinerzeit ganz neuen Ansatz in der Markenkommunikation erheben sie 2014 mit Magnetic Stories zum Geschäftsmodell: „Keine Werbeagentur. Kein Bullshit. In den 90ern haben sich die Menschen vielleicht noch mit einem schlichten Claim gewinnen lassen. Heute ist der Kunde aufgeklärter. Was nicht authentisch, unterhaltend und glaubwürdig ist, wird abgelehnt“, wissen Semik und Suendermann. Und zwar ganz gleich, ob der Auftraggeber Lamborghini oder Pâtisserie Ludwig heißt. Getreu ihrem Wahlspruch „Content Is King. Good Content Is King Kong.“ Und wenn der fürs Web gedacht ist, gibt Magnetic Stories die Programmierung nebenan in Auftrag.

Hier gestalten die drei Dorfjungs (www.dorfjungs.com) Joshua Keck, Jonas Marckert und Alexander Wagner seit Jahresanfang Marken aus und transportieren sie ins Web. Das Credo „Vom Dorf, aber nicht von gestern“ bescherte ihnen dann auch gleich den ersten Großauftrag: ein moderner Auftritt für das Traditionsweingut Wolf aus dem beschaulichen, Weinkennern aber durchaus geläufigen 730-Seelenort Birkweiler in der Pfalz musste her – angefangen bei der Logo-Entwicklung über die Website-Erstellung samt Onlineshop bis hin zum Packaging-Design von Flaschenetiketten und Umverpackung. Und für alles, das übers eigene Leistungsspektrum hinausgeht, nutzt man auch hier die kurzen Wege im Gründerzentrum. Schließlich sitzt der nächste Spezialist nur einen Container weit entfernt! In Sachen Bewegtbild ist Nacona (www.nacona.de) mittlerweile nicht nur für die Dorfjungs einer der ersten Ansprechpartner in Karlsruhe. Die Produktionsfirma von Julian Hoß und Johannes Gauder realisiert anspruchsvolle Film- und Fotoprojekte von der Kampagnenplanung bis zur Postproduktion. Zu ihren Kunden zählen insbesondere Sportmarken und aufstrebende Unternehmen, Industrie und Kultur.

Mit dem offiziellen Aftermovie zum „Fest“ 2015 wurden sie ebenso betraut wie schon mit der Doku zum Schlachthof-Kunst- und Kulturfestival „Schwein gehabt!“. Die auch bei Nacona etablierte unaufdringlich-subtile Form der Ansprache via Storytelling wird besonders deutlich, wenn sich Jürgen Vogel aufs Coboc schwingt, um quer durch Berlin Werbung fürs E-Bike zu fahren – begleitet vom mitfilmenden und -fotografierenden Nacona-Team im Lastenrad. Noch halsbrecherischer wird’s beim Mountainbike-Werbedreh in den Bergen oder der Matterhorn-Abfahrt für einen iPhone-Schutzhüllenhersteller. „Dazu kommen unsere sozialen Projekte, die komplett aus eigenem Antrieb entstehen“, ergänzt Hoß. Wie etwa „Refu G“, ihr Anfang 2015 initiiertes Flüchtlings-Hilfs- und Musikprojekt, mit dem sie bei der „KA300“-Eröffnungsshow aufgetreten sind. Explizit auch an Refugees gerichtet, haben Johannes Grenzemann und sein Bruder Jan erst Mitte Oktober das noch nebenberuflich betriebene spendenfinanzierte Gefälligkeits-Tausch-Portal Favorz (www.favorz.net, www.refugee-favorz.de) gelauncht. Die Währung: Geben und Nehmen. Wer sich einen kostenlosen Account erstellt, kann posten, wobei er Hilfe benötigt und welche Gegenleistung erwünscht ist. Ob Möbeltransport, Studiennachhilfe, Smartphone-Support oder Flüchtlingsunterkunftssammelaktion. Dafür kann’s dann auch mal nur gutes Karma geben. Oder ein Bierchen. Denn nach Intention der Grenzemanns soll Favorz ebenso „ein Marktplatz der persönlichen Begegnungen“ sein.

Ob sich in der Shareconomy tatsächlich Geld verdienen lässt, können ihm die „Crowd Intelligence Experten“ Kenforx (www.kenforx.com) sagen. Das ursprünglich von Mitgründer Jan Schröder 2008 als KIT-Spin-off gestartete Unternehmen hat über die Jahre eine Prognose-Software entwickelt, die es dem promovierten Wirtschaftswissenschaftler und seinen Kollegen Robert Schönfeld und Jörn Weigelt ermöglicht, eine zuverlässige Entscheidungshilfe für eben jene Fragenkomplexe zu liefern: Wie werden sich bestimmte Märkte entwickeln? Wo liegt der Absatz des Produkts X im Bereich Y zum Zeitpunkt Z? Welche Produktvariante wird die erfolgreichere sein? Und wie ist es eigentlich um die Mitarbeiterzufriedenheit bestellt? Das Außergewöhnliche des für sämtliche Unternehmensbereiche von Personal über Marketing, Risikomanagement und Compliance bis hin zu Logistik und Vertrieb relevanten Kenforx-Tools: Es werden nicht nur die gängigen Unternehmenskennzahlen herangezogen, die Datenbasis speist sich auch aus menschlichem Wissen, indem Kunden, Zulieferer, Mitarbeiter und unternehmenseigene Netzwerke eingebunden werden. Dass Kenforx mit dieser Geschäftsidee ebenso wie Nacona und Magnetic Stories schon jetzt ein heißer Kandidat für das von der Fächer GmbH zwischen Perfekt Futur, Tollhaus und Messplatz geplante Wachstums- und Festigungszentrum ist – dafür muss man wiederum kein Hellseher sein. -pat

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