Rüppurr: Schlechte Aussichten für Bio-Hof
Stadtleben // Artikel vom 01.06.2021
Durch die geplante Verlegung von Sportplätzen Rüppurrer Vereine sieht sich ein Bio-Bauernhof in seiner Existenz bedroht.
Der Konflikt legt nicht nur unterschiedliche Interessen offen, sondern steht auch sinnbildlich für den wachsenden Kampf um die immer knapperen Flächen in der Stadt. „Wir haben versucht über alle Fraktionen und bei der Stadtverwaltung Informationen zu bekommen, was geplant wird, aber auf unseren Wunsch beteiligt zu werden, haben wir gar keine Reaktion erhalten“, sagt Barbara Heidingsfelder frustriert. Gemeinsam mit ihrer Schwester sammelt sie seit Monaten Unterschriften zum Erhalt der Bio-Ackerfläche des Hofs Schleinkofer in Rüppurr. In dem Gebiet sollen Sportplätze entstehen. Die etwa fünf Hektar große, ökologische Anbaufläche des Hofs müsste weichen. Susanne Schleinkofer bewirtschaftet den Hof seit 2003 und hat den Betrieb vor sechs Jahren auf Öko-Landbau umgestellt.
Nun fürchtet sie, dass der Pachtvertrag zum November aufgekündigt wird. Besonders die kurzen Fristen machen ihr zu schaffen: „Ich habe eine jährliche Kündigungsfrist von nur vier Wochen. In anderen landwirtschaftlichen Pachtverträgen sind zwei Jahr üblich. Ich war schon seit drei Jahren im Gespräch und habe mich an die Stadt und die Grünen gewandt. Aber es hieß immer, so viel können wir da nicht machen“, sagt Schleinkofer. Bei landwirtschaftlichen Pachtverträgen säße man immer „am kürzeren Hebel“, ist ihr bewusst. Heidingsfelder hatte Anfang April bereits über 2.250 Unterschriften von Menschen gesammelt, die die Ackerfläche erhalten wollten. Von einer Fraktion erhielt sie die Antwort, die Unterschriftenaktion sei ja bereits eine „offene Bürgerbeteiligung gewesen“. Das ärgert sie maßlos, „das ist demokratisch ein ganz schlechtes Verhalten, man muss sich praktisch einen Anwalt nehmen, um etwas über die Planungen zu erfahren“.
„Wir warten, dass es endlich losgeht“, sagt hingegen Hartmut Jäger, der Vorsitzende der SG Rüppurr. Die Stadt habe Gelände vor 2017 gekauft, um es der SG zur Verfügung zu stellen. „Die Ausgangslage ist klar, aber wir sitzen seit drei Jahren auf dem Trockenen“. In den Jahren „hätte doch was passieren können“, ärgert sich Jäger. Als die drei Rüppurrer Sportvereine 2018 zur SG fusionierten, wurde mit der Stadt ein Geländetausch vereinbart. Die Vereine, die sich zusammenschlossen, gaben der Stadt ihre Sportplätze, die sie in Erbpacht besaßen und die Stadtverwaltung sagte im Gegenzug das Gelände am Brunnenstückweg zu. Dieses Gelände sei nach längerer Prüfung als einziges für die Erweiterung der Sportplätze infrage gekommen. „Das ist der einzige Platz“, betont Jäger: „Einige Mitglieder fragen, warum haben wir damals überhaupt fusioniert, warum haben wir das gemacht?“ Auf Dauer sei ein Vereinsleben an zwei Standorten nicht aufrechtzuerhalten. Er wolle keine zwei Lager zwischen Interessen des Sports und der Bio-Landwirtschaft aufbauen. Doch „die Stadt ist dafür da, Ausgleichsfläche zu suchen oder über eine finanzielle Entschädigung zu entscheiden“.
Schleinkofer hofft zwar mit der Unterstützung ihrer Kunden und von Umweltverbänden trotzdem bleiben zu können. Eine gleichwertige Ersatzfläche sei für sie aber auch denkbar. „Neben dem biologischen ist auch ein regionaler Anbau wichtig“, wünscht sie sich eine Fläche in oder nah an der Stadt. „Ettlingen oder Rheinstetten wäre auch noch unser Einzugsgebiet.“ Eine Ersatzfläche im Stadtgebiet sei ohnehin nicht möglich, heißt es auf Anfrage aus dem Liegenschaftsamt. „Nach derzeitigem Stand können der Pächterin nicht unmittelbar Ersatzflächen zur Verfügung gestellt werden“. Die Sicherstellung einer Ersatzfläche für die biologisch-ökologischen Bewirtschaftung sei nur möglich, wenn eine andere ökologisch bewirtschaftete Fläche vorhanden sei. Der Umstellungszeitraum einer konventionell bewirtschafteten Fläche auf eine ökologische Bewirtschaftung ist fest vorgegeben und beträgt in der Regel drei Jahre.
Auch gegenüber INKA gab sich die Stadtverwaltung zurückhaltend, aber machte wenig Hoffnung, dass die gesamte ökologische Ackerfläche bestehen bleiben kann. „Ob sich zumindest Teilflächen des Bio-Hofs in die Planungen zu den Sport- und Freizeitflächen am Brunnenstückweg integrieren lassen, wird derzeit geprüft“, hieß es von Seiten des Stadtplanungsamts. Der Gemeinderat hat entschieden, 170.000 Euro aus dem Baukostenbudget für Planungskosten statt eines geplanten Zauns bereitzustellen. Auf Grundlage von Gutachten für den nötigen Satzungsbeschluss entscheidet dann letztlich wieder der Gemeinderat über den Bau der Sportplätze. Dies dürfte aber noch dauern. Aufgrund der „komplexen Problemstellungen“ seien Verzögerungen nicht auszuschließen.
Schleinkofer bleibt also noch Zeit, die Aufmerksamkeit zu nutzen, um „die Frage des Flächenverbrauchs zu thematisieren“. Auch mit Blick auf die Nachverdichtung sagt sie: „Die Stadt Karlsruhe muss sich fragen, ob wirklich alles bebaut werden muss“ und beklagt, dass „jetzt schon wieder Fläche verbraucht und neu bebaut wird“. Mit der Kritik der Versiegelung von Flächen teilt sie die Kritik der Umweltverbände. Die Stadtverwaltung konnte den Flächenbedarf der Neubebauung noch nicht beziffern, betonte aber die Zielsetzung, „so wenige Flächen wie möglich zu beanspruchen“. Mit vier Tennis- und dreieinhalb Fußballplätzen würde die Sportgemeinschaft ihren Platzbedarf sogar reduzieren, vergleicht auch Jäger den neuen Platzbedarf mit der aktuellen Situation mit noch drei Rüppurrer Sportstätten.
Weitere Bauprojekte folgen. Wie diese künftig genutzt werden sollen, ist offen. Für das Gelände des DJK Rüppurr ist eine Renaturierung im Gespräch, die Friedrich Lemmen von der Bürgergemeinschaft Rüppurr „sehr begrüßen“ würde. „Die Entscheidung ist aber noch nicht abgeschlossen“, sagt die Stadtverwaltung. Das Gelände der Alemania sei „mit direkter Straßenbahnanbindung ein Sahnestück, das von heute auf morgen bebaut werden könnte“, sagt Jäger. Von Seiten der Stadt ist hier tatsächlich die „Schaffung von Wohnraum“ und die Nutzung für „Nahversorgung, Kindertagesstätte und Pflegeangebote“ geplant. Im vergangenen Sommer stellte das Planungsbüro Mess in einer Bürgerveranstaltung erste Ideen und Entwürfe vor. In „enger Abstimmung“ mit der Stadtverwaltung würden die drei vorgestellten Bebauungsvarianten derzeit zu „einem Entwurf verdichtet“, sagt der Geschäftsführer des Planungsbüros Florian Groß. Egal, wie der Konflikt zwischen Bio-Bauenhof und Sportvereinen gelöst wird – sicher ist, dass ein Ende der Bauprojekte an allen Ecken der Stadt nicht abzusehen ist. -fk
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