Sommer-, Haushalts- und andere Löcher

Stadtleben // Artikel vom 14.09.2010

Ich weiß: Lokalpolitik interessiert die wenigsten.

Das ist nicht gut. Denn in unserer nur noch mühsam als Demokratie getarnten Lobbykratie lässt sich im eigenen „Kiez“ noch am ehesten was bewegen. Was hat sich also in der Ferienzeit so getan? Der Galerienrundgang am Fr, 17.9. ab 18 Uhr bietet die schöne Gelegenheit, die von ungezählten Baustellen zerfurchte Stadt neu kennenzulernen. Leider sind die Auswirkungen der dilettantischen Non-Koordinierung der Baustellen wie Kriegs-,  Reinhold-Frank-Straße oder Kühler Krug weiter katastrophal.

Ein paar Autos auf dem sonst samstagnachmittags übervollen Parkplatz der Metro sprechen Bände. Dank der U-Strab- und weiteren Gleisbaustellen in der City drehen zudem alle hohl. Die Folge waren ungezählte Unfälle, erneut auch mit Toten, eine ältere Dame wurde von einer Straßenbahn am Berliner Platz erfasst. Es ist schlicht lebensgefährlich geworden, die City zu betreten oder mit dem Fahrrad zu befahren. Die Stadt hat das Problem erkannt und prangert nun mit einer Plakatkampagne das Sicherheitsverhalten der Radfahrer an.

Nicht nur die Radlerorganisation ADFC sieht hier rot. Rot sieht dagegen die Stadt in Sachen einer Marketingaktion, die für ein relaxtes Einkaufen in Ettlingen wirbt und Karlsruhe als abschreckendes Beispiel ins Spiel bringt. Nur: Wer dem Beginn des U-Strab-Baus mit unkoordinierten weiteren Großbaustellen die Krone aufsetzt, braucht sich hinterher nicht noch zu beschweren. Noch immer sind die meisten Karlsruher der Meinung, mit der U-Strab eine bahnfreie Kaiserstraße zu bekommen.

Dies ist mitnichten so: Exakt 1 km lang ist der Tunnel; am Europa- und Marktplatz werden weiterhin Bahnen fahren. Verzögerungen der Bauzeit sind schon jetzt evident, denn offenbar hat man bei der Vorbereitung der U-Strab die geologischen Hausaufgaben nicht gemacht. So haben sich die Arbeiten am Berliner Platz verzögert, was erneute Kostensteigerungen bedeutet. Beim Graben ist man auf Kellergewölbe einer Gaststätte gestoßen, die laut ARGE Stadtbahntunnel in keinem Plan eingezeichnet gewesen seien.

Allerdings reichte bekanntermaßen dort auch die Vorkriegsbebauung an die Fassadenflucht des heutigen Uni-Hauptgebäudes heran. Auch soll sich beim Einrammen der Spundwände am Europaplatz das Bodenniveau um sechs Zentimeter abgesenkt haben – ohne dass auch nur ein Meter Tunnel gegraben wurde. Hiervon war der ARGE auf Nachfrage nichts bekannt. Dank der millionenschweren PR-Kampagne in Sachen U-Strab – allein 2010 soll noch 1 Mio. verbraten werden – schmücken derzeit große, zigzehntausende Euro teure Plakate von Kultureinrichtungen den Bauzaun am Europaplatz (Foto: Onuk).

Warum nicht wenigstens ein Teil dieser PR-Gelder die geplanten Kürzungen im Kulturbereich ausgleichen kann, wo ja weiterhin das beste Stadtmarketing betrieben wird, bleibt schleierhaft. Denn dass die Bauarbeiten in Punkto Besucherzahlen auch bei den Kulturträgern Spuren hinterlassen werden, ist klar. Mit den geplanten Kürzungen der Stadt fielen obendrein noch die daran
gekoppelten Landeszuschüsse weg.

Zu Ende gedacht ist das nicht – die finale (Haushalts-)Messe wird aber erst 2011 gelesen. Um gute Vorschläge hierfür ist man nicht verlegen: So erwägt man allen Ernstes, mit einer Kürzung der Straßenbeleuchtung um eine Stunde den Haushalt zu konsolidieren. Zur Erinnerung: Karlsruhe war mal eine der finanziell am besten aufgestellten deutschen Städte... -rw

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