Städtische Bauprojekte 140 Mio. teurer

Stadtleben // Artikel vom 07.07.2022

Bauzäune sind in Karlsruhe die treuesten Begleiter.

Mit der Fertigstellung der Kombilösung ist zwar die größte Baustelle verschwunden, doch ihr Erbe mit steten Kostensteigerungen bei großen Bauprojekten nicht. Ob Stadion, Staatstheater oder Stadthalle – die Baukosten übersteigen die ursprünglichen Budgets deutlich. Allein bei den direkt von der Stadt beauftragten, großen Bauprojekten der vergangenen fünf Jahre entstanden Mehrkosten von über 145 Mio. Euro. Dies ergab eine INKA-Anfrage bei der Stadtverwaltung. Diese Zahl enthält nur die Budgetüberschreitungen von Bauprojekten mit einem Volumen von über 20 Mio. Euro. Ebenso nicht enthalten sind die Bauprojekte der städtischen Gesellschaften, für deren Defizite regelmäßig der Stadthaushalt aufkommen muss. Angaben zu den Mehrkosten bei den Verkehrsbetrieben, der Messe oder anderen Beteiligungsgesellschaften der Stadt seien aber „aufgrund des erheblichen Aufwands nicht möglich“. Dabei bilden die Investitionen der städtischen Gesellschaften das Gros der Investitionen der Stadt Karlsruhe. Die zuständigen Aufsichtsgremien würden in der Regel im Rahmen der Berichterstattung über höhere Baukosten informiert, sagt die Stadtverwaltung. Ein regelmäßiger öffentlicher Soll-Ist-Vergleich der Kosten der Bauprojekte sei auch im Rahmen der Haushaltskonsolidierung nicht geplant.

Dabei zeigt die angeforderte Auswertung der Stadtverwaltung, dass fast die Hälfte der großen Bauprojekte den vorgegebenen Kostenrahmen sprengte. Sieben der 15 aktuell größten städtischen Bauprojekte konnten ihre Budgets nicht halten. Allein die Sanierung der Stadthalle soll schon jetzt fast 60 Mio. Euro mehr kosten als ursprünglich geplant. Kostensteigerungen im zweistelligen Millionenbereich werden auch beim Wildparkstadion, der Untertunnelung der Kriegsstraße und bei der Erneuerung einer Verbrennungslinie des Klärwerks prognostiziert oder verzeichnet. Auch die Mehrkosten des vom Land geführten Umbaus des Badischen Staatstheaters kommen noch obendrauf. Mit 191,5 Mio. Euro muss sich die Stadt an den aufgelaufenen Mehrkosten beteiligen. Die Kosten für die Freianlagengestaltung, Interimsunterbringung und nutzerspezifische Wünsche noch nicht eingeschlossen. Zwar reichen die Kostensteigerungen der aktuellen Projekte nicht an die aus dem Ruder laufenden Aufwendungen für die Kombilösung heran: Statt der ursprünglich geplanten 81 Mio. wird die Stadt nach letzter Schätzung knapp 600 Mio. Euro aufwenden müssen. Doch die aktuell steigenden Baukosten belasten den ohnehin schon angespannten Finanzierungshaushalt und Schuldenstand der Stadt zusätzlich.

Doch was sind die Gründe für die teils deutlichen Kostenerhöhungen? Einerseits dürfte auch in Karlsruhe ein allgemeines Phänomen greifen: Ein kostengünstigeres Bauprojekt ist in der Planung politisch einfacher durchzusetzen. Dies begünstigt die Tendenz, den nötigen Aufwand anfangs kleinzurechnen. Wenn die Kosten dann doch steigen, hilft zum Weiterbau auch die Psychologie. Je mehr Geld, Mühe und Zeit in ein Projekt investiert wurde, umso schwerer fällt es, es wieder aufzugeben, auch wenn es die ursprünglichen Erwartungen längst nicht mehr erfüllt (Sunk Cost Fallacy). Die Stadtverwaltung verweist auf weitere Ursachen: So hätte im Fall der Sanierung des Klärwerks die Insolvenz der beauftragten Baufirma erhebliche Mehrkosten und eine längere Bauzeit verursacht. Zudem spüre die Stadt bei noch im Bau befindlichen Projekten die angespannte Marktentwicklung mit teils deutlichen Preissteigerungen beim Material. Im Fall der Lina-Radke-Halle hätte die Hochkonjunktur am Bau sogar dazu geführt, dass sich nur ein Unternehmen auf die Ausschreibung beworben hätte. Aber auch die eigenen Planungen gingen nicht immer auf. Zusätzliche oder veränderte Anforderungen während der Bauphase seien mitverantwortlich für die Kostensteigerungen um jeweils etwa 35 Prozent bei der Sanierung des Technischen Rathauses sowie des Neubaus der Lina-Radke-Halle, heißt es in der Auswertung der Stadtverwaltung.

Besonders hohe Zusatzkosten sind der Stadt durch den Wechsel der Planungsbüros während der Bauphase entstanden. Die große Kostensteigerung bei der Stadthalle führt die Stadtverwaltung auf den Wechsel des Planungsbüros in der Haustechnik sowie damit verbundene Bauverzögerungen und die Neuausrichtung des Baus zurück. „Da eine weitere konstruktive Zusammenarbeit nicht mehr möglich war, bedurfte es der Neuausschreibung“, begründet die Verwaltung den Schritt. Inwiefern beide Planungsbüros für ihre Leistungen bezahlt werden müssen, sei noch unklar. „Voraussichtlich wird es hier eine gerichtliche Klärung geben. Erst dann ist klar, ob es Leistungen gibt, die doppelt durch die Stadt bezahlt werden müssen.“ Die Haustechnik führte auch beim Staatstheater zum Konflikt zwischen Bauherren und dem zuständigen Planungsbüro. Die ursprüngliche Kostenschätzung von 325 Mio. Euro war nicht mehr zu halten und wuchs auch durch höhere Kosten aufgrund der Bauverschiebung auf über 500 Mio. Euro an. Der Wechsel verursachte nach Auskunft der Verwaltung auch doppelte Kosten. „Durch den Planerwechsel musste die Vorentwurfsplanung doppelt honoriert werden.“ Solch zusätzlicher Aufwand sei aufgrund der hohen Risiken beim Bauen im Bestand nicht immer zu vermeiden. Durch die „komplexen Anforderungen an die Planung“ käme einer gründlichen Bestandsanalyse sowie dem Projekt- und Baucontrolling eine große Rolle zu, sagt die Stadtverwaltung.

Zumindest mit der Transparenz und dem Controlling der Bauprojekte in der Öffentlichkeit tut sich die Stadtverwaltung aber schwer. Das zeigt sich auch daran, dass es drei Monate brauchte, bis die INKA-Fragen beantwortet wurden. Dabei gelingt es der Stadt bei einigen Bauprojekten, die eigenen Kosten- und Zeitpläne einzuhalten. Z.B. beim Neubau der Leitstelle und Hauptfeuerwache, bei der Draisschule oder dem Schulzentrum Neureut. Bei der Sanierung er Heinrich-Hertz-Schule oder des Marktplatzes konnten zumindest bei den Investitionskosten jeweils sogar eine Mio. Euro gegenüber der Planung eingespart werden. „Gute unternehmerische Arbeit und Logistikplanung“, bescheinigte die Stadtverwaltung der Marktplatzsanierung. Doch nicht nur die zuletzt vermeldeten Kostensteigerungen beim Neubau des Wildparkstadions in Höhe von 32 Mio. Euro gegenüber den ursprünglichen Planungen lassen vermuten, dass teurere Baukosten in Zukunft häufiger werden. Die Stadtverwaltung baut in ihrer Stellungnahme schon mal vor. Die Folgen des Kriegs in der Ukraine und Corona durch Lieferengpässe, Fachpersonalmangel und steigende Energiepreise würden auch das Bauen verteuern. Interne Auswertungen zuvor hätten gezeigt, dass rund 90 Prozent aller Bauprojekte im Kosten- und Terminrahmen abgewickelt würden. „Mit den aktuellen Entwicklungen am Baumarkt wird sich diese Quote sicherlich nicht in der Zukunft fortschreiben lassen.“ -fk

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