Zweite Rheinbrücke, Hagsfeld-Trog, Geothermiebohrungen & U-Strab-Wasser

Stadtleben // Artikel vom 13.07.2020

Karlsruhe ist im totalen Umbau.

Kurz vor Drucklegung fielen alle Dämme: Die zweite Rheinbrücke kommt – mehr oder weniger wie bisher geplant. Baustart soll so in fünf Jahren sein. Auch der mit 55 Millionen Euro sagenhaft teure Hagsfeld-Trog für eine nutzlose Umfahrungsstraße von nicht mal 1,5 Kilometern Länge wurde im Gemeinderat durchgewunken. Wer hat, der hat. Der Milieuschutz für die Südstadt verschwand dagegen zweimal auf den hinteren Punkten der Gemeinderatstagungen. Beim dritten Anlauf wurde das Thema wegen „mangelnder Zahlen“ vertagt. Vorfahrt erst mal für die Investoren. U-Strab: Nochmals vertagt um mindestens ein halbes Jahr wegen starken Wassereinbruchs. Der Tunnel ist quer zur Grundwasserfließrichtung angelegt. Dass diese Probleme bestehen und bekannt waren, darf man voraussetzen: Sie wurden im INKA schon vor Ewigkeiten thematisiert. Damals ging es um einen Wassereinbruch an der Postgalerie. Wir sind gespannt, wie es weiterblubbert. Wundern uns aber nicht. Eher unbemerkt von der Öffentlichkeit blieb wohl auch: Es ist nun offizieller Kanon der grün-schwarzen Landesregierung: Innenstadtverdichtung ist gut. Weil man die Natur draußen ja „schützen tun muss“. Auch den Irrsinn der Geothermie-Bohrungen will man durchziehen. Ich stand selbst in Landau auf dem Marktplatz, als eines der unzähligen „Kleinerdbeben“ die Pfalz durchzog. Dort hat man das alles komplett eingestellt. Viel zu gefährlich. Das Badnerland aber ist ideal geeignet. Die Gemeinden werden sich freuen. War da was? Fessenheim und Philippsburg lagen im Erdbebengebiet? Gilt wohl nicht für Geothermie.

Hauptthema während der Shutdownzeit war im Presseamt der Stadt (PIA) klar das „Hochhauswäldchen“ an Stelle des heutigen Landratsamtes. Wettbewerbe ohne Ende. Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten, gewiss. Nur läuft immer noch eine Petition in Stuttgart. Alleine der Begriff „Hochhauswäldchen“ ist so super, dass ich eigentlich schon dafür sein müsste. Ich wäre dann aber für viele Hochhauswäldchen mit noch mehr Zukunftsbäumchen. Wo sollen denn die Menschen auch wohnen und leben, wenn die Stadt auf 400.00 Einwohner aufgepumpt werden soll? Alle in Rüppurr entlang der „Stadtautobahn“ Richtung Ettlingen? Das Thema Stadtgestaltung und die Situation der Innenstadt hat Florian Kaufmann in mehreren längeren Recherchen in Super INKA unideologisch aufgefächert. Ideologisch wird es dagegen demnächst bei einem weiteren Lieblingsprojekt von mir, dem sogenannten „Sophien-Carrée“. Nicht zu verwechseln mit dem schnöde „Hofgarten-Karree“ genannten CG-Gruppe-GEM-Eigenheim-Großprojekt am Klinikum. Wenn die riesige Fläche zwischen Sophien- und Kriegsstraße demnächst „erschlossen“ wird, fallen auch in der Weststadt alle Dämme. Rette sich wer kann. „Happy Locals“ würden den Stadtumbau sicher zukunftsfähiger machen. Um diese Anregungen geht es in Super INKA, das viele lange Recherchetexte versammelt, die in der INKA-Soli-Ausgabe nicht enthalten sind. Aber nochmals kurz zum Bauterror zurück, da er das vielbeschworene Thema Fake News schon ausleuchtet. Das Berckholtz-Stift vor meiner Wohnung geht in den finalen Abriss. „Unter Gottes Segen“ war ein Text in den BNN überschrieben, mit einem eine gewisse „Abriss-Romantik“ suggerierenden Foto. Ich habe dies nachfotografiert am selben Tag. Plus die reale Hinteransicht aus meinem Fenster – Styroporinferno über eine Woche lang.

Es gibt Ähnliches zuhauf: romantisierende Kohlekraftwerk-Fotos im Vollbetrieb vor strahlend blauem Himmel oder am 3.7. ein romantisierendes Pfinzentlastungskanalfoto: Die stinkende Brühe sieht man ja nicht. Aber zurück zum Berckholtz-Stift, einem Anzeigenkunden der BNN. Ein längerer PR-Text über das tolle Stift „koschd halt“. Schlimm, wenn sich eine talentierte Jungjournalistin so instrumentalisieren lässt. Man gab alles. Sicher Zufall, dass bei Drucklegung noch ein letzter kleiner Rest des Altenheims „übrigsteht“. Ich zieh ja schon aus, Frau Stenftennagel. Sie müssen sich keine Mühe mehr mit „Unter Gottes Segen“-Texten über kirchliche Immobilieninvestoren machen. Dissen Sie doch die Anwohner des Sophien-Carrées. Eines von ungezählten Beispielen, wie LeserInnen in den „Sonntags“, „Kuriers“ und BNNs mit bezahlten Redaktionsmarketing überzogen werden. Teils bis ihnen die Birne raucht. Seitenlange wochenlange Texte über das BLM, den Zoo (angeblich, weil der Herausgeber Tiere so mag) oder die Kunsthalle. Nur als Beispiele. Plus exklusivste Dauer- und Titelbild-PR für das Festspielhaus. Dessen PR-Berichterstattung blockt seit INKA-Start 2004 den überregionalen Kulturteil der BNN. Denn die Karlsruher Kulturseite liegt ganz hinten auf der Agenda der BNN-Leser.

Auf der Langstrecke hat die Karlsruher Kulturszene dadurch schwere publizistische Einbußen erlitten, denn die Reichweite der lokalen Stadt-BNN liegt nur noch bei 22.000 Lesern bei 320.000 Einwohnern. Wenn von 22.000 Lesern, von denen die Hälfte über 70 ist (Schnitt der Tageszeitungen in Deutschland ca. 61 Jahre), acht Prozent den Karlsruher Kulturteil lesen, kann man sich selber ausrechnen, was hier real passiert. Mir wird schlecht angesichts der Jahrzehnte an ultrarechter BNN-Lokalpolitikberichterstattung, der vielen Berufsverbote für kritische Journalisten, wenn diese Publikation namens BNN auch noch eine Zeitung für Schüler macht. Das kann kein denkender Mensch wollen, dass solch moralisch selbstdemontierte Monopol-Verlage an Schüler herangelassen werden: Was wollen, sollen sie diesen beibringen? Die „Kurier“-Auflage, der die offizielle „Stadtzeitung“ der Stadt beiliegt, ist wegen der profitablen Beilagen völlig überzogen. Das gleiche gilt für den „Sonntag“. Leider gibt’s ja kein Geld mehr für Papier. Die Stadt macht trotzdem weiter fleißig Werbung für ihre Papiertonne. Nur leider bei uns nicht. Wir sind so schlau und wissen, dass es über unseren Köpfen in Windrichtung verheizt wird. Wie das eingesammelte Plastik. Für sowas wie die „Umweltkunstwochen“ wiederum ist kein Marketing-Geld da.

Will sagen: Die städtische PR kommt in weiten Teilen außerhalb der Kultur nur dem hiesigen Monopol-Verlag zugute. Ein Konzept gibt es weder für die Innenstadtkultur noch die Presse hier. Oder das, was noch davon da ist. Man will ja digital punkten, über 40 Prozent der Gewerbesteuern in Karlsruhe kommen schließlich aus dem IT-Bereich. Weshalb die Stadt auch vergleichsweise moderat durch die Krise kommt im Vergleich zu anderen. Hoffen wir. Sonst ist mal wieder „die Kultur“ der Steinbruch der Krisenbewältigung. Wir als Stadtmagazin und kleiner Spezialisten-Verlag haben noch ein anderes Problem: In der Wahrnehmung sind wir bestenfalls ein Flyerbündel. Kein Kulturplayer. Ein Kulturmultiplikator ist kein Kulturplayer? Doch das geht: Die Berliner Clubs sorgen zwar für zwei Milliarden Umsatz in der Stadt, haben aber teils ultrakurze Gewerbemietverträge ohne jeden Bestandsschutz. Das soll nun dringend geändert werden. Wir hätten auch gerne so einen Kulturschutzschirm gehabt. Nur war die letzte Kultur-Bürgerumfrage so angelegt, dass wir nicht mal mit allen Publikationen genannt wurden und unser Name einmal auf 40 Seiten auftaucht, der von „Kultur in Karlsruhe“ aber gefühlt 1.000 mal. Das ist orbanesk. Methodisch unbrauchbar urteilte selbst der Datenschutzbeauftragte der Stadt. Nach der Umfrage informieren sich die hiesigen Karlsruher vor allem über TV und Radio über Kultur. Selten so müde gelacht. Das Beste ist, dass sich dann „Kulturförderinstitutionen“ wie „Kultur in Karlsruhe“, in denen die, die am meisten zahlen auch das meiste Sagen haben, auf diese ultrafragwürdigen Umfragewerte auch noch öffentlich beziehen. Und damit hausieren gehen. Dem Vernehmen nach wurden zunächst sogar die „Schlosslichtspiele“ zunächst „vergessen“.

Gleichzeitig „bearbeitet“ man einen Kulturmultiplikator wie uns noch aktiv. Der Datenschutzbeauftragte der Stadt war jedenfalls fassungslos über die Art und Weise der Datenerhebung. Eines der laut Seitwert-Onlineranking besten deutschen Gratis-Stadtmagazine ist nun unter „Flyer/Stadtmagazine“ gelistet. Es gibt übrigens eine einfache Möglichkeit, nachzuschauen wie die Stadtverwaltung sich selbst sieht: den Karlsruher Wirtschaftsspiegel. Hier sind alle städtischen Institutionen angehalten, superteure Werbung zu schalten. Das so feudal risikolos aufgestellte Printobjekt macht ungefähr so viel Umsatz wie INKA im ganzen Jahr mit allen Publikationen zusammen. Der damals angeblich „unprofitable“ Stadt-PR-Führer wurde seinerzeit noch von Frau Mergen verkauft – für einen Euro. Zustände wie im Berlin der Wendezeit, als für einen Euro große Immobilen verschenkt wurden, damit jemand investiert. Vermutlich deshalb informieren sich die KarlsruherInnen laut Bürgerumfrage vor allem auch im TV über Kultur, schätze beim Kulturspartenkanal Baden TV, wo sonst. Wer wissen will, was die Stadt von uns allen offenbar hält: Die „Mundschutz tragen – Abstand halten“-Plakate wurden aus dem Topf der „Bürgerinformation“ bezahlt. Wir planen daher eine Soli-Kunst-Auktion, um weiterhin ausführlich und unabhängig(er) über die reale Kunst- und Kulturszene in Karlsruhe berichten zu können.

Auch soll erneut eine INKA-Sonderpräsenz mit einem großen Gesamtkunstüberblick auf der „art“ 2021 ermöglicht werden. Mehr zum Thema „Kulturförderung“ und Presse in Karlsruhe dann im Herbst. Ach so. Vergessen: Majolika. Was Besonderes: Im Gemeinderat sitzen ja Leute, die wollen den Einstieg eines Osterhasenproduzenten in die traditionsreiche Künstlermanufaktur. Der OB verschließt sich dem von Grünen-Stadträtin Renate Rastätter ins Gespräch gebrachten Modell von Künstlerateliers kombiniert mit Künstlerwohnungen und einem Museum offenbar nicht. Der Zuschussbedarf würde dann von 300.000 auf 500.00 Euro steigen. Ob der Gemeinderat diese Summe ausgeben will, ist vielleicht Ende des Jahres bei den Haushaltsberatungen klarer. Dennoch: Mal was Konstruktives. Fänden wir super. -rw

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