Zweiter Corona-Lockdown: SexarbeiterInnen in Not

Stadtleben // Artikel vom 18.11.2020

Der erneute Lockdown trifft gerade die am härtesten, die auch zuvor schon täglich um ihre Existenz gebangt haben.

Gerade die Sexarbeit verzeichnet eine sehr hohe Quote an Menschen, oft durch die Maschen des staatlichen Versorgungsnetzes fallen. Beim ersten Lockdown sprang der zu diesem Anlass gegründete Nothilfe-Fonds des BesD ein. Über 150.000 Euro wurden schnell und unbürokratisch an Bedürftige ausgezahlt. Der Topf ist nun leer, und so sind die betroffenen Personen gezwungen, illegal weiterzuarbeiten.

Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) bestätigt: „Wir wissen von unseren Mitarbeiterinnen, die Frauen in der Prostitution beraten und unterstützen: Die Schließung der Bordellbetriebe und das Verbot dieser Tätigkeit in der Pandemie ist für die meisten Prostituierten eine Katastrophe“, macht die SkF Bundesvorsitzende Hildegard Eckert deutlich. SexarbeiterInnen mit Wohnsitz in Deutschland und Steuernummer gelten als Soloselbstständige und können genau wie andere Branchen nun Corona-Hilfen beantragen. Ein erster Schritt in Richtung Normalität für die Sexarbeitsbranche.

Simone Heneka, Beratungsstelle Pink, Freiburg: „Für uns als Beratungsstelle ist die Arbeit durch das erneute Verbot fast unmöglich geworden, weil sich alles ins Private verlagert. Die Frauen trauen sich nicht mehr, Beratungsstellen aufzusuchen.“ Sexarbeiter mit Migrationshintergründen gehören oft zu den vulnerablen Gruppen, die keine Ansprüche auf staatliche Hilfen haben. Dies zeigt sich auch auf dem männlichen Straßenstrich in Essen: Seit dem Arbeitsverbot ist die Zahl der Männer sogar gestiegen – so die Beobachtungen der Beratungsstelle Nachtfalke. Die Nachfrage sinkt, und so muss man länger und öfter auf der Straße stehen, weil kaum Verdienst möglich ist.

Sandra Kamitz von Bufas (Bündnis der Fachberatungsstellen für SexarbeiterInnen): „Menschen in prekären Lebenssituationen sind grundsätzlich sehr anpassungsfähig und existenzbedrohende Ausnahmesituationen zwingen diese Menschen oftmals in kriminelle Strukturen.“ Der Sozialdienst katholischer Frauen bringt die Situation auf den Punkt: „Diese Situation macht deutlich, dass das aktuell wieder diskutierte Sexkaufverbot keine Alternative ist. Verbote nutzen weder Frauen, die freiwillig in der Prostitution arbeiten, noch denen, die Zwang und Gewalt ausgeliefert sind. Gerade für diese Gruppe würde ein Sexkaufverbot bedeuten, illegal und in größter Unsicherheit arbeiten zu müssen.“ Auch der BesD weist drauf hin, dass das Arbeitsverbot durch Corona nicht von der Politik missbraucht werden darf, um durch die Hintertür ein Sexkaufverbot einzuführen oder die komplette Branche zu verbieten.

„Es ist eine Schande, dass in der Politik immer vom Schutz der „Prostituierten“ geredet wird, denn in einer wirklich problematischen Situation werden genau diese alleine gelassen,“ erbost sich Johanna Weber, Finanzvorstand des BesD. So musste der Berufsverband einen Nothilfefond einrichten, was eigentlich die Aufgabe des Staates wäre. Der Fonds ist auf Spenden angewiesen, das Verteilungsverfahren erfolgt gemeinsam mit bundesweiten Beratungsstellen. Hier findet sich eine Auflistung der weiteren Forderungen des BesD. -ps/pat

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